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Remote Working: Chancen – Herausforderungen – Perspektiven

Dass COVID-19 etwas geändert hat, zeigen u.a. 280.000 Suchergebnisse, wenn diese Wort-Kombination bei einer bekannten Suchmaschine eingegeben wird. Henry Ford hat einmal behauptet „Wenn ich mit Herausforderungen nicht umgehen kann, lasse ich sie auf mich zukommen.“ Nach sechs Wochen Hands-on-Umgang mit diesen Herausforderungen hat sich neotares – ein Beratungsunternehmen für neue Arbeitswelten – mit einer Umfrage den Herausforderungen, Chancen und Perspektiven gewidmet, die sich aus der verstärkten Homeoffice-Tätigkeit der vergangenen Monate ergeben.

Hinsichtlich der Unternehmensgrößen verteilen sich die Befragten zu jeweils 40 % auf Kleinunternehmen und Mittlere Unternehmen; 20 % arbeiten in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Dass dies einen Einfluss auf das Antwortverhalten hat, zeigt sich u.a. bei folgendem Aspekt: Die Zustimmung zur Frage, ob die eigene Kompetenz im Umgang mit Videokonferenzen hoch ist, wird in kleinen Unternehmen mit einem niedrigeren Zustimmungswert¹ angegeben, als in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern.

Das Kommunikationsverhalten hat sich stark gewandelt

Vor COVID-19 haben über 80 % die persönliche Kommunikation genutzt, während Videokonferenzen mit einer Quote von 27 % noch ein „Schattendasein“ geführt haben. Durch die Einschränkungen hat sich dieses Bild in Richtung Videokonferenzen gedreht, wie der rechten Abbildung zu entnehmen ist. Auch die Anzahl der Besprechungen in Summe ist gestiegen. Dass informelle Besprechungen vorab geholfen haben, Dinge „auf dem kurzen Dienstweg“ zu erledigen, bestätigt ein Teilnehmer mit der Aussage „hier kommt es zu Zeitverlusten bzw. Verzögerungen“.

Die soziale Komponente habe laut einiger Teilnehmer durch „Anonymität und fehlende Tiefe von Gesprächen am Telefon gelitten“ – vermutlich ein Grund, warum Telefonate einen geringeren Zuwachs haben als Videokonferenzen. Interessanterweise werden ähnliche Aspekte von anderen Teilnehmern als positiv bewertet und in Kommentaren herausgestellt: „Prozesse werden verschlankt, Entscheidungsprozesse verkürzt und Meetings effizienter.“ Die Teilnehmer stimmen eher der Aussage zu¹, dass digitale Besprechungen ein adäquater Ersatz zu Präsenzmeetings sind; nur 13 % sehen dies skeptisch.

Arbeiten Personen im Einzelbüro, fällt die Zustimmung deutlich niedriger gegenüber Personen aus, die in Mehrpersonen oder Open-Space-Büros arbeiten. Anders ausgedrückt: Je mehr Personen in einem Büro arbeiten, umso stärker bewerten Sie die Vorteile digitaler Meetings. Der Grund hierfür könnte in der geringeren Ablenkung und einer damit stärkeren Fokussierung liegen.

Interessant sind die Ergebnisse zur Effektivität von digitaler Kommunikation: Je höher Teilnehmer ihre digitale Kompetenz im Umgang mit Videokonferenzen einschätzen, umso weniger kritisieren sie die Dauer digitaler Besprechungen und Abstimmungen. Auch Motivation und digitale Kompetenz stehen in einem positiven Zusammenhang: Wenn die Teilnehmer sich eine hohe digitale Kompetenz zusprechen, wirkt sich dies positiv auf die Motivation im Homeoffice zu arbeiten aus.

All denjenigen, die befürchten, dass digitaler Austausch den persönlichen reduziert, kann aus Sicht der Ergebnisse Entwarnung gegeben werden: 40 % der Teilnehmer sehen sogar einen höheren Bedarf an persönlichem Austausch. Im Schwerpunkt sehen 4 von 5 Teilnehmern Konzept- und Projekteinzelarbeit, Administration, Organisation und Verwaltung und Telefonate als ideal für die Tätigkeit im Homeoffice an²: Verlaufen Meetings pünktlich und zuverlässig, sieht auch ein Drittel diese als geeignet an – vermutlich aufgrund geringer Aufwände hinsichtlich An- und Abreise und der leichteren Integration in den Alltag. Meetings und Tätigkeiten, die sehr stark vom Austausch leben, befürwortet jedoch nur jeder fünfte Teilnehmer remote durchzuführen.

Und die Zufriedenheit?

Die Zustimmung für die Tätigkeit im Homeoffice liegt im Durchschnitt deutlich höher als für die im Büro. Interessant ist auch die Zustimmung zum Aspekt „ich habe eine durchgehend hohe Motivation im Homeoffice zu arbeiten“: 63 % geben diese als hoch an. Die durchschnittliche Zustimmung steigt nochmals an, wenn den Teil-nehmern alle notwendigen Utensilien für die Arbeit im Homeoffice zur Verfügung stehen.

Der Stressfaktor, der als Einflussfaktor auf unsere Work-Live-Balance gilt³, wird im Mittel als eher gering angegeben. Ein Fünftel der Teilnehmer fühlt sich durch die Omnipräsenz von Arbeit im Homeoffice gestresst. Das Antwortverhalten ist unabhängig von der Tatsache, ob Kinder im Haushalt leben. Nicht außen vor gelassen werden darf die Tatsache, dass die Koordination von Kinderbetreuung und Homeoffice als Belastung herausgestellt wird.

Betrachten wir die Altersgruppen näher, zeigt sich folgendes Bild: Junge Teilnehmer bis 26 Jahre fühlen sich stärker gestresst, wohin-gegen die Gruppe 36 - 45 deutlich niedrigere Werte nennen, und Teilnehmer im Alter 46-55 einen sehr geringen Wert angeben. Der wahrgenommene Stress scheint mit wachsendem Alter geringer auszufallen. Gründe hierfür könnte ein souveräner Umgang in der Trennung von Arbeit und Freizeit oder ein anderes Bewusstsein zum Thema Stress sein. In diesem Kontext zeigt sich ebenfalls eine Abhängigkeit zur Unternehmensgröße: Mitarbeiter aus Kleinunternehmen (bis 49 Mitarbeiter) zeigen eher an, dass sie sich durch die Allgegenwärtigkeit von Arbeit gestresst fühlen, als Mitarbeiter in Unternehmen ab 50 Mitarbeitern.

Den Auswirkungen von COVID-19 auf die Digitalisierung attestieren die Teilnehmer ein positives Zeugnis. 7 von 10 Teilnehmer wünschen sich, dass die angestoßenen Veränderungen beibehalten werden und leiten dar-aus einen höheren Bedarf an Videokonferenzanlagen in ihren Unternehmen ab. Als besonderer Vorteil wird die ersparte An-reise von 40 % der Teilnehmer herausgehoben. Ein Teilnehmer stellt hierzu die Rechnung auf, dass 15 Stunden Fahrtzeit pro Woche und 15 % des Nettolohns eingespart werden konnten.

Ob sich der Flächenbedarf im Unternehmen verändert, wird differenziert betrachtet. Ein Drittel der Teilnehmer geht klar davon aus. Ein Drittel sieht hier keine Veränderung. Führungskräfte stimmen dieser Aussage eher zu als Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung. Unterschiedliche Altersgruppen zeigen ebenfalls ein heterogenes Antwortverhalten. Es wird vermutet, dass unterschiedliche Altersgruppen differenzierte Erwartungen an die Ausgestaltung der Arbeitsflächen haben. Auch wenn sich die Anzahl personalisierter Arbeitsplätze in zukünftigen Planungen reduziert, gewinnen kollaborative und agile Flächen an Bedeutung.

Teilnehmer sehen mehr „Freiheit“ und mehr „Fokus“

  • Homeoffice erhöht meine Motivation durch eine flexiblere Aufteilung des Tages: Kurze Runde mit dem Hund, flexible Ortswechsel möglich, so z.B. gehen/stehen bei Telefonkonferenzen und der Wechsel auf den Balkon für administrative Arbeiten.
  • Weniger Reisen – mehr Fokus: Ich lerne mich auf das Wichtigste zu begrenzen.
  • Massive Kosteneinsparung (Verschleiß PKW, Diesel, Kosten der Mittagspause) - nach 10 Wochen Homeoffice spare ich ca. 15 % meines Nettolohns ein. Zudem nutze ich die regelmäßigen Fahrtzeiten (ca. 15 Stunden pro Woche) für andere berufliche Dinge. Insgesamt spüre ich eine gesunde Entspannung.

Und die Herausforderungen?

  • Die soziale Komponente wie Zusammenhalt als Team leidet durch die fehlende Präsenz; Der ‚Gemeinsam sind wir stark Gedanke‘ hat bei Präsenz mehr Gewicht.
  • Personalführung per Teams/Telefon gestaltet sich mitunter schwierig, Stimmungen auffangen ebenso.
  • Viele Projektpartner bzw. Unternehmen sind noch nicht geeignet aufgestellt und organisiert. Weder technisch noch persönlich.
  • Die Wohnung wird zum Büro – das muss man mögen.

Fazit

Remote-Zusammenarbeit wurde von vielen Unternehmen bisher nur begrenzt angeboten und kam nun durch COVID-19 geballt auf alle zu. Nach Sichtung der Ergebnisse und in der Wahrnehmung der öffentlichen Diskussionen kann der Umgang damit als „gemeistert“ angesehen werden.

Die Auswirkungen von COVID-19

  • 70 % wünschen sich, dass angestoßene Veränderungen und Möglichkeiten beibehalten werden.
  • 60 % der Teilnehmer gehen davon aus, dass zukünftig ein höherer Bedarf an Videokonferenzanlagen im Büro notwendig sein wird.
  • 40 % der Teilnehmer freuen sich über die ersparte Anreise

Nun gilt es dem Wunsch der Teilnehmer zu folgen und angestoßene Veränderungen nicht nur beizubehalten, sondern fortzuführen. Wünschen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zukünftig eine Win-win-Situation für beide Seiten, sollten nach Analyse der Ergebnisse folgende Aspekte Berücksichtigung finden:

  1. Qualifikation hinsichtlich Eigenorganisation und digitaler Kompetenz! Die Veränderung der Kommunikation zulasten des persönlichen Austauschs hin zur Videokonferenz ist frappierend. Der leicht negative Trend hinsichtlich der Effektivität der Kommunikation könnte durch den zeitweisen Shutdown beeinflusst worden sein. Werden jedoch zukünftig die Mitarbeiter stärker hinsichtlich des Umgangs mit Videokonferenzen und der Selbstorganisation qualifiziert, erhöht dies die Leistungsbereitschaft im Homeoffice und reduziert das Stress-empfinden.
  2. Mitarbeiter- und arbeitsbezogene Homeoffice-Lösungen! Eine dauerhafte Tätigkeit im Homeoffice ist nur für wenige Tätigkeiten/Personen eine ideale Lösung. Die Wahrnehmung positiver und negativer Aspekte der Tätigkeit im Homeoffice sind so vielfältig wie die Anzahl der Teilnehmer. Dies zeigt sich in den zahlreichen freien Anmerkungen. Die Entscheidung, in welcher Form Homeoffice für Mitarbeiter geeignet ist, sollte individuell und in Abstimmung mit dem Mitarbeiter getroffen werden.
  3. Homeoffice – Fast Forward! Die hohe Zustimmung hinsichtlich der Motivation im Homeoffice und dem Beibehalten der Veränderungen liegt u.a. in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dem Verschmelzen beider Bereiche – dem sogenannten Work-Live-Blending – sehen viele Teilnehmer positiv entgegen. Wegfallende Fahrtzeiten und individuelle Tagesgestaltung werden als neue Freiheiten positiv bewertet. Bei aller Euphorie sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kompetenz sich selbst zu organisieren und eigenständig zu motivieren vorhanden sein, oder Personen entsprechend qualifiziert, werden sollten. Mit steigenden Werten dieser Fähigkeiten steigt das Potenzial von Homeoffice und kann Misstrauens-Aspekten von Führungskräften entgegenwirken.
  4. Kleinere Unternehmen sollten Potenziale nutzen! Die Bereitschaft im Homeoffice zu arbeiten ist übergreifend hoch. Allerdings ist der Einfluss der Faktoren wie das Vorhandensein entsprechender Utensilien (Monitor und ergonomischer Bürostuhl) und Kompetenzen im Umgang mit der notwendigen IT gegeben. Kleinere Unternehmen sollten, laut der Untersuchung, Investitionen in entsprechende Technik haben, um demnach die Möglichkeit ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch Aufbau entsprechender Kompetenz zu erhöhen. Grössere Unternehmen sind hier professioneller aufgestellt, was sich positiv auf dessen Stressempfinden auswirkt.
  5. Schöne neue Arbeitswelt! Derzeitige Flächen werden dem Anspruch an digitale Zusammenarbeit und kreativen Austausch vor Ort häufig nicht gerecht. Neue Konzepte beinhalten „Atmende Flächen“, die kooperatives und kollaboratives Arbeiten und damit u.a. die Nutzung und Akzeptanz von Desk-Sharing erleichtern. Hot-Desks, buchbare Meetingräume oder kreative Flächen, ermöglichen agiles und kooperatives Arbeiten. Videokonferenzsysteme sorgen dafür, dass Kollegen remote zugeschaltet werden können. Diese Ansätze werden den Bedürfnissen von Mitarbeitern und Arbeitgebern gerecht, da sie Attraktivität und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen berücksichtigen.
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Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit Werte zwischen „1“ (stimme gar nicht zu) und „6“ (Stimme voll zu) zu wählen. Durchschnittswerte unter „3,0“ gelten als eher nicht zustimmend“, „3,5” als “teilweise zustimmend“, ab „4,0“„zustimmend“,.ab „4,5“ gelten als „hohe Zustimmung
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Mehrfachnennung möglich
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Siehe auch: Martin, Peter: Mobile Büroarbeit – neue Arbeitsformen human gestalten
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Remote = Arbeitnehmer sind nicht an den Arbeitsplatz gebunden, können mobil oder im Homeoffice arbeiten
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Das Teilen von Arbeitsplätzen
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Arbeitsplätze, die für einen temporären Zeitraum gebucht werden können